Cover von "Arbeit! Wohnen!"
Arbeit! Wohnen!
Urbane Auseinandersetzungen um EU-Migration - Eine Untersuchung zwischen Wissenschaft und Aktivismus Lisa Riedner Deutsch
Paperback, 368 Seiten
140 x 205mm
978-3-96042-039-2 / 2-973
18,00 Euro
Erscheinungstermin: 11/2018
Umschlaggestaltung von Petja Dimitrova
Deutsch
Paperback, 368 Seiten
140 x 205mm
978-3-96042-039-2 / 2-973
18,00 Euro
Erscheinungstermin: 11/2018
Umschlaggestaltung von Petja Dimitrova

Inhalt

EU-Migrant*innen treten gegen Lohnbetrug ein, protestieren gegen Polizeirepression, fordern das Recht auf ein Existenzminimum und auf Wohnraum. Arbeit! Wohnen! geht von diesen urbanen Konflikten (2009-2014) aus und untersucht, wie EU-Migration in München regiert wird. Unter den Bedingungen der EU-Freizügigkeit wird der Zwang zur Arbeit immer weiter radikalisiert. Auch bundespolitische und EU-europäische Prozesse spielen dabei eine Rolle. In Zeiten von Nationalprotektionismus und neuem Rassismus, Sozialabbau und der Prekarisierung von Arbeit gibt das Buch Anstöße für eine transnationale politische Praxis in Wissenschaft und Aktivismus.


Mit „Konflikt als Methode“ stellt es eine eigene Spielart intervenierender Forschung vor und ist theoriepolitisch als Versuch einzuordnen, die soziale Frage in transnationalen Verhältnissen zu stellen sowie Kämpfe der Migration in kapitalistischen Verhältnissen zu kontextualisieren.


Autorin

Lisa Riedner — Ausführliche Informationen und Kontakt zu Lisa Riedner findet ihr auf ihrer Website. Mehr Infos

Leseprobe / Cover

Pressestimmen (5)

»Sozialbehörden werden zur Grenzpolizei«. Arbeiten ja – Rechte nein? Berlin wegen verweigerter Leistungen für EU-Migranten in der Kritik. Ein Gespräch mit Lisa Riedner. —  Carmela Negrete, Junge Welt (17.04.2019)
Seit gestern (18.7.) ist es in Deutschland verboten, Arbeitskraft in sogenannten Tagelöhnerbörsen anzubieten. Als Strafe drohen Platzverweise und Bußgelder von bis zu 1.000 Euro. Die Bundesregierung möchte Arbeitnehmer*innen so angeblich vor „illegalen Lohnpraktiken zu schützen“. Wieso repressive Maßnahmen nicht vor Ausbeutung schützen, sondern prekarisierte Arbeiter*innen noch weiter marginalisieren und damit auch rassistische Ausgrenzungsprozesse verstärken, zeigt Lisa Riedner in ihrem Artikel in der aktuellen Ausgabe der CILIP. Weitere Zusammenhänge zwischen Rassismus, Migrationspolitik und Arbeit diskutiert ihr bei der edition assemblage erschienenes Buch „Arbeit! Wohnen! Urbane Auseinandersetzungen um EU-Migration“. Gegen das neue Gesetz und die Kriminalisierung von Migrant*innen wendet sich auch die Kampagne #EuropaInBewegung. —  CILIP
Die Anthropologin Lisa Riedner hat jahrelang Tagelöhner in München begleitet. Ihr Ergebnis: Sie organisieren sich an den bekannten Straßenecken selbst, um Infos auszutauschen, informelle Mindestlöhne zu besprechen oder schlicht, um sich vom langen Warten abzulenken. Selbst ein leitender Beamter der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, den Riedner zitiert, interessiert sich nicht für die Tagelöhner. Das große Geschäft ist für die Organisierte Kriminalität nur im größeren Maßstab zu machen, die Tagelöhner sind da Peanuts. Mittlerweile hat der Bundesweite Koordinierungskreis gegen Menschenhandel dem Finanzministerium empfohlen, das Tagelöhner-Verbot zu streichen. Armut wird kriminalisiert. Neoliberalismus Lexikon der Leistungsgesellschaft: Olaf Scholz‘ Gesetz zum Verbot von Tagelöhnern bekämpft einmal mehr die Mittellosen selbst statt die Ursachen für deren Lage. —  Sebastian Friedrich, Der Freitag
[…] Die Studie dokumentiert, dass die Kommunalpolitik hinter der Etablierung und Ausgestaltung eines offenen Konzepts von Stadtbürgerschaft, das alle anwesenden Personen als Münchner_innen einbezieht, zurückbleibt und stattdessen eine Vervielfältigung und Ausdehnung kleinteiliger urbaner Grenzregime herbeiführt. Eine Stärke der Studie liegt in der akribischen Analyse der vielschichtigen Ausschlüsse von der Stadtgesellschaft, die in medialen Debatten, Runden Tischen, in der administrativen Bearbeitung – und häufigen Ablehnung – von Anträgen auf Sozialleistungen und selbst in einem eigentlich progressiv gedachten städtischen Integrationskonzept produziert werden. Riedner zeichnet hier das Auftauchen und die Etablierung neuer, post- oder neoliberaler Rassismen (15 ff., 123) nach, die zwar Diversität als ein Grundprinzip zeitgenössischer Stadtgesellschaften akzeptieren, aber zwischen einer „wünschenswerten“ und einer „bedrohlichen“ Vielfalt, zwischen „produktiven“ und daher willkommenen und „unproduktiven“ und daher abzuwehrenden Migrant_innen scharfe Trennlinien verlegen. Die ethnografisch dichten und analytisch scharfsichtigen Beobachtungen zu den Verschränkungen solcher neuen gesellschaftlichen Ordnungsprinzipien mit altbekannten Figuren des Rassismus einerseits und den Anforderungen eines aktivierenden zeitgenössischen Arbeitsregimes andererseits im Zuge des Regierens von Migration bieten einen bleibenden Gewinn der Lektüre dieser herausragenden Studie. —  Jens Adam, Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde (30.06.2020)
Riedners Arbeit ist außergewöhnlich vielschichtig und verfügt über ein ausgesprochen hohes Maß an Reflexivität. Das Werk gibt einen tiefgehenden Einblick in aktuelle Brüche und Kämpfe des Rassismus und zeigt dabei trans- und postnationale Zusammenhänge auf. Die Qualität der Studie liegt in ihrer Komplexität begründet, über die Figur des „Tagelöhnermarktes“ hinaus Aushandlungen bei Versuchen des Regierens auf unterschiedlichsten Ebenen und aus unterschiedlichsten Blickrichtungen auszuleuchten und kulturanalytisch miteinander zu verbinden. Dies tut die Autorin, ohne in diesem großen Patchwork je das Feine aus den Augen zu verlieren. So zum Beispiel – um hier selektiv einen kleinen Teil herauszugreifen – wenn im fünften Kapitel anhand von neongrünen Bändern, welche Uniformierte den kontrollierten Migrant*innen bei einer Zollrazzia um die Handgelenke banden, detailliert und eindrücklich aufgespürt wird, wie bei diesem Versuch des Regierens soziale Stigmatisiesierung in Körper eingeschrieben und ungleiche Machtverhältnisse sowie Blickregime der Kontrolle errichtet werden. Am Beispiel des Markierens von Menschen veranschaulicht Riedner diverse von Zwang und Einschüchterung geprägte rassistische Schattierungen sogenannter Sicherheitspraktiken. Die Angst der „Markierten“, die Bänder abzunehmen, und Befürchtungen, dass in den Bändern elektronische Chips verborgen sein könnten, veranlassten Riedner selbst, die Bänder zu untersuchen und bei der zuständigen Behörde nachzufragen. Hier zeigt sich das eigene aktive Involviert-Sein der Autorin. So ist sie nicht nur körperlich präsent, sondern erzeugt mittels einer Pressemitteilung der „Initiative Zivilcourage“ (in welcher die „Grünen-Band-Maßnahme“ als rassistisch angeprangert wird) das in diesem Kapitel analysierte Quellenkorpus mit bzw. löst durch die Sichtbarmachung der Sicherheitspraktik das politische und mediale Echo erst aus. Trotz oder gerade wegen ihrer Involviertheit gelingt es Riedner, den Fächer weit aufzuspannen und dabei practices of security nicht bloß als repressiv zu betrachten, sondern – durch Einbezug diverser Quellen unterschiedlichster Stellen – das dahinterliegende Netz von Deutungsmustern und Ordnungsvorstellungen bei solchen „Lösungsversuchen“ offenzulegen. —  Lara Gruhn, Zeitschrift für Volkskunde 114. Jahrgang, Heft 1/2020